Die rolle des Gleichgewichtorgans im Lernprozess

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Verena Prinsloo

Die Anatomie und Physiologie des Gleichgewichtorgans

Gleichgewicht ist ein biologisches System, welches uns über die Position unseres Körpers im Raum informiert und uns befähigt, eine bestimmte Haltung zu erhalten (Anon, 1999).

Eine stabile Haltung zeichnet sich dadurch aus, dass die Person ihr gravitationales Zentrum oberhalb der tragenden Fläche (z.B. zwei Füße oder ein Fuß, s. Bild) positioniert (Pica in de Jager, 2009a:147). In dieser Weise kann die Schwerkraft die tragende Fläche ausgeglichen belasten. Die Unfähigkeit, dieses gravitationale Zentrum korrekt zu positionieren, wird oft sichtbar, wenn eine Person in stehender Position die Augen schließt und beobachtet werden kann, wie die Füße auf dem Boden nach Halt suchen und der Körper beginnt vor und zurück zu pendeln.

Gleichgewicht wird erworben: Das frühkindliche Reflexsystem initiiert stereotype Bewegungen, die das Zusammenspiel zwischen Muskeln, Gleichgewichtsorgan und der Schwerkraft trainieren (De Jager, 2009a:147). Später werden die frühkindlichen Reflexe durch die Posturalreflexe abgelöst, welche dann die Aufrechterhaltung der Körperposition unterstützen.

Das Gleichgewichts- oder Vestibularorgan liegt als Teil des Innenohrs beidseitig im Felsenbein und besteht aus 3 Bogengängen und 2 Makulaorganen (Utriculus und Sacculus).

Es gibt zwei Arten von Gleichgewicht: das statische und das dynamische Gleichgewicht.

Das statische Gleichgewicht funktioniert wie eine Wasserwaage, die jede Abweichung von der optimal ausgeglichenen Position sofort anzeigt: In den Makulaorganen wird in Ruheposition oder bei linearer Bewegung jede Veränderung der Kopfposition sofort wahrgenommen. Dort befinden sich Haarzellen, welche in eine gelartige Masse eingebettet sind. In dieser Gallerte sind kleine Steinchen, die Statokonien (auch Otholiten genannt), welche auf jede Veränderung des Zuges der Schwerkraft reagieren und mit ihrer Bewegung eine Auslenkung der Haarzellen erwirken. Die veränderte Position der Haarzellen sendet durch den Vestibularnerv ein Signal zum Zerebellum, dass sich die Position des Kopfes verändert hat.

Das dynamische Gleichgewicht wird durch die Bogengänge gesteuert, welche auf allen drei räumlichen Ebenen angeordnet sind und damit jede Drehbewegung des Kopfes registrieren können, wie z.B. beim Schaukeln, im Karussel oder in einem Boot (s. Zeichnung unten). Durch die Bewegung wird die Endolymphe in den Bogengängen in Schwingung versetzt. Diese Schwingung lenkt die Haarzellen in der Ampulle am Ende der Bogengänge aus (s. Zeichnung: Querschnitt durch Bogengang und Ampulle) und sendet dadurch ein Signal durch den Vestibularnerv zum Zerebellum.

Die Stimulation der drei Bogengänge bringt mit sich die Überkreuzung aller drei Mittellinien des Körpers:

Gleichgewicht und Innenwahrnehmung

Die Erhaltung der Balance ist eine gemeinsame Leistung der äußeren und inneren Wahrnehmung. Während die Augen durch Informationen von außerhalb des Körpers Anhaltspunkte für die Balance herantragen, bieten das Vestibularsystem zusammen mit der Propriozeption und Kinästhesie Wahrnehmungen von innerhalb des Körpers, die für den Erhalt des Gleichgewichts unerlässlich sind.

Propriozeption, synonym mit Tiefensensibilität gebraucht, ist die „Wahrnehmung der Stellung und Bewegung des Körpers im Raum […] durch spezifische Rezeptoren (Propriorezeptoren) registrierte Information über Muskelspannung (Golgi-Sehnenorgan), Muskellänge (Muskelspindel) und Gelenkstellung bwz. –bewegung […]“ (De Gruyter, 1998:1297).

Kinästhesie ist „die Empfindung der Bewegung des Körpers“ (De Gruyter, 1998:819). Durch kinästhetische Wahrnehmung kann Bewegung in Ausmaß, Stärke, Gewschwindigkeit, Druck, etc koordiniert werden.

GPS

Bevor ein Global Positioning System (GPS) den Reisenden sicher zu seinem Ziel führen kann, müssen erst zwei wesentliche Fragen beantwortet werden: Erstens – wo bin ich? und zweitens – wo muss ich hin? Erst dann kann das GPS die Antwort zu der dritten und entscheidenden Frage präsentieren: Wie komme ich dahin?

Das Zusammenspiel zwischen Schwerkraft und Körper funktioniert wie ein GPS:

Ein funktionierendes GPS, welches der Person die koordinierte Bewegung über die drei Mittellinien, den sicheren Umgang mit Schwerkraft und ein Gefühl von Zentriertheit ermöglicht, wird nach Jean Ayres „gravitationale Sicherheit“ (De Jager, 2009a: 152) genannt.

De Jager (2009a:152) identifiziert die folgenden Fähigkeiten, die aus der gravitationalen Sicherheit resultieren:

  • Räumliche Orientierung
  • Zeitliche Orientierung
  • Sensorische Integration
  • Aufbau von Muskeltonus
  • Handlungsplanung (Praxie)
  • Abschätzen von Tiefe, Höhe, Gewicht, Kraft, Geschwindigkeit, Abstand
  • Soziale Interaktion
  • Selbsteinschätzung

Nach einem Zitat von Goddard in De Jager (2009:152) stellt die Schwerkraft für uns ein Zentrum bereit, sei es in Raum, Zeit, Bewegung, Tiefe oder Selbstempfinden, funktionierend wie ein Nukleus, von dem ausgehend alle Handlungen ermöglicht werden.

Im folgenden wird an einigen Beispielen aufgezeigt, wie die GPS-Funktion im Alltag und beim Lernen zum Einsatz kommt:

Die Orientierungspunkte, die der Vergleich mit dem GPS uns bietet, werden in der folgenden Übung zur räumlichen Orientierung in der Rechtschreibung angewendet:

Mind Moves zur räumlichen Orientierung im 2-dimensionalen Raum:

Das Mouse Pad ABC (De Jager, 2009b: 45)

Lege ein Din A4 Blatt im Querformat vor das Kind. Zeichne zwei horizontale Linien, die das Papier in drei gleiche Blöcke unterteilen. Bitte das Kind eine liegende Acht zu zeichnen, die den mittleren Block ausfüllt. In die Mitte des Papiers soll das Kind nun ein Strichmännchen zeichnen, mit dem Kopf im oberen Drittel, dem Körper im mittleren Block durch den Mittelpunkt der liegenden Acht und die Füße im unteren Drittel.

Erkläre dem Kind, dass die wichtigste Person auf der Welt in der Mitte des Blattes steht – diese Person ist das Kind. Das Kind soll nun das Alphabet in Kleinbuchstaben auf die liegende Acht übertragen. Dabei beginnt es mit jedem Buchstaben auf dem Strichmännchen.

 

  1. Wo bin ich?

→ Ansatzpunkt des Stiftes auf dem Strichmännchen.

  1. Wo muss ich hin?

→ Eintragen des Buchstabens: Konsequentes Training der Unterscheidung zwischen Rechts und Links, Oben und Unten.

  1. Wie komme ich dahin?

→ Komplettiere eine liegende Acht nach jedem Buchstaben beginnend nach links oben. Das trainiert die Überkreuzung der medialen Mittellinie sowohl mit den Händen als auch mit den Augen.

Buchstaben, die vom Strichmännchen aus nach links gehen: a, c, d, g, j, o, q, s.

Buchstaben, die vom Strichmännchen aus nach rechts gehen: b, e, h, k, m, n, p, r, t, u, v, w, y.

Buchstaben, die auf dem Strichmännchen liegen: i, l.

Buchstaben, die im oberen Drittel beginnen: b, f, h, k, l, t.

Buchstaben, die im mittleren Drittel beginnen: a, c, d, e, i, m, n, o, r, s, u, v, w.

Buchstaben, die im mittleren Drittel beginnen und im unteren Drittel enden: g, p, q, y.

Wenn das GPS nicht funktioniert…

Der Einfluss, den die Schwerkraft auf unsere Handlungsplanung ausübt, kann am besten beobachtet werden im schwerelosen Raum. De Jager (2009a: 82) berichtet von Beobachtungen an gebildeten, lese- und schreibkundigen Astronauten, die im schwerelosen Raum beginnen, von rechts nach links zu schreiben, Zahlen und Buchstaben zu verdrehen und Spiegelschrift zu produzieren.

Nach Goddard (De Jager, 2009a:152) haben „Probleme mit dem Gleichgewicht Folgen in allen anderen Funktionsbereichen. Solche Probleme affektieren das sensorische System, da alle Wahrnehmungen durch das vestibuläre System auf der Höhe des Hirnstammes passieren, bevor sie zur Analyse weiterbefördert werden.“

Wenn ein Kind ohne ein funktionstüchtiges GPS seinen Weg durch die Schullaufbahn navigieren muss, können die folgenden Probleme beobachtet werden:

  • Probleme mit Buchstabenerkennung, Form und Richtung, Buchstabieren: Dyslexie
  • Schwierigkeiten mit Zahlen, Konzepten von Form und Größe, Rechnen und Sortieren: Dyskalkulie
  • Probleme mit Handlungs- und Bewegungsplanung: Dyspraxie
  • Probleme mit der Bewegungsplanung zur Sprachproduktion: Verbale Dyspraxie.

De Jager(2009b: 52) betont in ihrem Buch „Mind Moves – moves that mend the mind“, dass die Behandlung dieser Dysfunktionen einer interdisziplinären therapeutischen Betreuung bedarf, da diese in den Arbeitsbereich verschiedener Therapeutengruppen fallen. Die folgenden Interventionen geben Richtlinien und Ideen für Eltern und Lehrer, die die Arbeit des/der Therapeuten sinnvoll unterstützen können (De Jager, 2009b: 53).

1. Testung der frühkindlichen Reflexe und systematische Integration persistierender Reflexe

2. Übungen zur gravitationalen Sicherheit

Mind Moves Massage:

Das Kind steht aufrecht mit ausgebreiteten Armen. Ziehe mit festem Druck die Außenlinie des Körpers dreimal nach.

Antennae Adjuster:

Massiere beide Ohrmuscheln simultan mit kreisenden Bewegungen von oben nach unten

Gravitiy Crawl:

Vorwärtskrabbeln mit dem Bauch flach am Boden. Arme und Beine schieben den Körper nach vorne.

Vestibular Rock:

Auf allen Vieren stehend vor und zurück wiegen, dabei den Kopf in verschiedene Richtungen wenden.

  1. Übungen zur räumlichen Orientierung

– Formen und Buchstaben mit einem Seil auf dem Boden darstellen und das Kind  die       Figur entlanglaufen lassen

– Ertasten von Formen und Buchstaben

  • aus Knete
  • eine Form / einen Buchstaben mit einem Klebestift auf ein Papier malen und Sägespäne darüber streuen – wenn es trocken ist, das Kind die Form mit dem Finger nachfahren lassen.

      4. Übungen zum Rhythmus- und Zeitgefühl

    • Klatschrhythmen einüben
    • Klatsch-Spiele
    • Silbenklatschen
  1. Lateralitätsübungen

Core Workout:

Das Kind liegt auf dem Rücken.

1: Anheben des Armes und Beines auf gleicher Seite, Kopfdrehung zur aktiven Seite. Seitenwechsel. 10x.

2. Anheben des Armes und Beines auf gleicher Seite, Kopfdrehung zur passiven Seite. Seitenwechsel. 10x.

3. Rechter Arm berührt linkes Bein. Kopf bleibt in der Mittellinie. Seitenwechsel. 10x.

Bilateral Integrator:

Halte einen Stock oder Stift in jeder Hand (in korrekter Stifthaltung). Zeichne spiegelbildlich und simultan Formen mit beiden Armen in die Luft.

  1. Überkreuzen der Mittellinie

Mouse Pad:

Halte den Daumen im Elbogenabstand auf Nasenhöhe. Zeichne nun eine liegende Acht beginnend nach oben um dein linkes Auge herum. Die Augen folgen dem Daumen ohne eine Kopfmitbewegung. Wiederhole 3x.

Midline Workout:

Sitze mit gespreizten Beinen und gefassten Händen einem Partner gegenüber. Wiegt euch vor und zurück, dabei soll sich jeder soweit wie möglich nach vorne strecken bzw. nach hinten lehnen.

Trunk Twister:

Stehe mit den Beinen hüftweit auseinander. Lasse den Oberkörper vornüber hängen. Rotiere den Oberkörper langsam erst im, dann gegen den Uhrzeigersinn.

Bibliographie:

Anon, 1999. Definition of Balance. [online] http://www.medterms.com/script/main/art.asp?articlekey=10760. [accessed 03.07.2010]

De Gruyter, 1998. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 258. Auflage. Wörterbuch-Redaktion des Verlages Walter de Gruyter & Co, Berlin.

De Jager, M. 2009a.  Advanced Instructor Manual. Johannesburg: Mind Moves Institute, South Africa.

De Jager, M. 2009b. Mind Moves – moves that mend the mind. Johannesburg: Mind Moves Institute, South Africa.

Frings. 2003. Das Vestibularorgan. [online] http://www.sinnesphysiologie.de/gruvo03/gehoer/vestib.htm [accessed 03.07.2010]

Gollins, 2000. Keith Roberts (ABT) in The Rite of Spring, photo by Roy Round . [online]. http://www.hep.uiuc.edu/home/g-gollin/dance/dance_physics.html. [accessed 05.07.2010]

Spektrum Akademischer Verlag. Jahr unbekannt. Wo findet man „das Labyrinth“?. [online]. http://www.wissenschaft-online.de/sixcms/media.php/373/thumbnails/bogeng_nge.jpg.108365.jpg; [accessed 03.07.2010]

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